In den letzten 10 Jahren hat das Büro die größten Veränderungen seit Erfindung des Großraumbüros nach dem zweiten Weltkrieg erlebt. Neue Technologien und der Ruf nach Flexibilität bieten neue Chancen für Unternehmen auf der ganzen Welt.
Frank Lloyd Wright, Erfinder des Großraumbüros, setzte dem politischen Extremismus der 1930er Jahre mit seinen Entwürfen eine „Architektur der Freiheit und Demokratie“ entgegen. Heute im 21. Jahrhundert setzen noch immer viele der größten Unternehmen der Welt auf Wrights Vision eines demokratischen Arbeitsplatzes – ergänzt um Gruppenbereiche und Tischfußball.
Und genau diese Unternehmen, darunter etwa Meta, Google, Atlassian und Apple, treten nun in die Fußstapfen früher Pionier*innen wie Wright. Sie transformieren unsere Arbeitswelt und nutzen dabei Mixed Reality, um ihre eigenen Büros zu revolutionieren. Und sie untersuchen Möglichkeiten, mit immersiven Technologien auch die digitale Zusammenarbeit ihrer Angestellten zu optimieren.
Die PwC US Metaverse Survey 2022 ergab, dass 21 % der Unternehmen die VR schon geschäftlich nutzen. 34 % waren daneben überzeugt, dass die wichtigste Anwendung in Zukunft „die effektivere Fortbildung und Schulung von Mitarbeitenden“ sei. Ein solches Beispiel ist Trello, wo man 2021 auf Virtual Reality setzte, um einen engeren Austausch zwischen Mitarbeiter*innen zu fördern.
„Trello wurde 2017 von Atlassian übernommen. Das Unternehmen war schon immer ein eng verflochtenes Team“, so Liz Leary, Employee Experience Manager. „Wir konnten diese enge Zusammenarbeit über Teams, Weltmeere, Zeitzonen und eine Übernahme hinweg aufrechterhalten. Dann kam Corona und veränderte die Welt.“
Die COVID-19-Pandemie war nicht allein für die gestiegene Nachfrage nach Remote-Lösungen verantwortlich, aber mit ihr wurden Flexibilität und immersive Tools plötzlich besonders wichtig.
„Ende 2020, auf dem Höhepunkt der Pandemie, sprach ich meinen Manager bei einem Call auf das VR-Treffen in seinem Kalender an“, so Leary. „Er und die anderen Führungskräfte von Trello verabredeten sich jeden Freitag Nachmittag in der VR. Ich erzählte ihm, dass ich mir zu Weihnachten ein Quest-Headset wünschte, um an den VR-Treffen teilzunehmen. Die Idee, Mitarbeiter*innen von Trello mit Headsets auszustatten, war als Witz gedacht. Doch genau das war schon in Planung. ‚Trello Together: VR Edition‘ war geboren.“
Das Ziel unseres Projekts mit dem Namen ‚TTVR21‘ war es, eine digitale Version des New Yorker Büros von Trello zu erschaffen. Dort sollten Mitarbeiter*innen sich per VR-Headset oder Web-Interface für Desktop und Smartphone virtuell treffen können.
Dazu entschied man sich bei Trello für Frame, eine Plattform für digitale Kollaboration von Virbela, als Engine für die virtuelle Umgebung. Diese ermöglichte den Zugriff über die 250 Meta Quest-Headsets, mit denen Mitarbeitende auf der ganzen Welt ausgestattet wurden.
„Das Ergebnis war ein immersiver und realistischer digitaler Zwilling, der unsere Mitarbeiter*innen überrascht und beeindruckt hat“, sagt Leary. „Neue Mitarbeitende konnten sich einen Eindruck von unserem Büro verschaffen und langjährige Teammitglieder fühlten sich wie zu Hause.“
Es war eine Herausforderung, eine so große Umgebung mit zahlreichen visuellen Elementen zu erschaffen, sodass viele Assets nur als flache PNG-Dateien vorhanden sind. Bei 250 Teilnehmenden waren außerdem zusätzliche Server erforderlich, um reibungslose Interaktionen zu ermöglichen. Angesichts der vielen Mitarbeiter*innen mussten wir alle in Gruppen von jeweils 30 Teilnehmer*innen aufteilen und Links zu neun separaten Versionen bereitstellen. Doch Trello konnte dies zu seinem Vorteil nutzen.
„Wir haben die Idee einer ‚Portalwand‘ entwickelt. Über diese virtuellen Türen lässt sich ganz einfach ein anderer Link zu einer anderen Personengruppe aufrufen“, erklärt Leary. „Es war super!“
Leary meint, dass die Veranstaltung für das Teambuilding bei Trello „Wunder gewirkt“ hat. Nach dem TTVR21 nutzten die Mitarbeitenden ihre Headsets weiterhin für virtuelle Offsites mit ihren Teams. „Das Event hat unsere Unternehmenskultur und den Zusammenhalt nachhaltig gestärkt“, erzählt sie uns. „Bei Atlassian habe ich seitdem noch drei weitere VR-Events für unterschiedliche Teams organisiert.“
Trotz des erfolgreichen Trello-Events ist die digitale Zusammenarbeit noch immer ein aufstrebender Anwendungsfall für die VR. Doch die Anwendung bei der Gestaltung unserer Arbeitsplätze ist heute schon viel etablierter. Bei einer Umfrage unter den größten Architekturbüros im Vereinigten Königreich (bekannt als AJ100) gaben 52 % an, dass sie virtuelle Realität in ihrer Arbeit einsetzen.
Hawkins Brown ist ein Londoner Architekturbüro, das bei seinen aktuellen Projekten auf VR-Technologie setzt. Hawkins Brown stellte 2022 den weltweit ersten sozialwissenschaftlichen Forschungspark (sbarc/spark) am Innovation Campus der Cardiff University in Wales fertig. Das 12.000 Quadratmeter große Gebäude wurde entworfen, um Platz für unterschiedliche Arbeits- und Freizeitbereiche sowie Labore und Ausstellungen zu bieten.
Im Zentrum des Raums erhebt sich eine skulpturförmige Treppe, die alle sieben Stockwerke miteinander verbindet. Die „Oculus“ genannte Treppe ist der zentrale Zugangsbereich und wird von beiden Seiten durch Sitzgelegenheiten eingerahmt. In der Entwurfsphase nutzte das Team Dynamo, eine visuelle Open-Source-Programmiersprache für Revit, sowie eine Echtzeit-Game-Engine. So konnte das Team das virtuelle Modell betreten und die Auswirkungen aller Änderungen beurteilen – entweder am Bildschirm oder in einem VR-Headset.
„Der Einsatz von VR in Gesprächen mit Kund*innen kann zu ganz neuen Ergebnissen führen“, so Jack Stewart, Associate, Digital Design bei Hawkins Brown. „Bei der ‚Oculus‘-Treppe war es den Auftraggeber*innen wichtig, von ganz unten einen Blick durch alle Stockwerke zu ermöglichen, um das ganze Gebäude optisch zu verbinden. Das Bauunternehmen schlug vor, die Treppe leicht zu versetzen und steiler zu gestalten. Das hätte aber den Blick durch das Gebäude beeinträchtigt. Mit einem VR-Headset konnten wir das anschaulich illustrieren.“
Neben der Interaktion mit Kund*innen und dem Community-Outreach untersucht Hawkins Brown auch, wie Virtual Reality sich zukünftig noch tiefer in der Arbeit verankern lässt – sowohl bei der Zusammenarbeit als auch bei der Gestaltung.
„Wir betrachten, wie digitale Online-Umgebungen mit Virtual Reality möglichst immersiv genutzt werden können“, erklärt Samuel Wheeler, der bei Hawkins Brown zu VR forscht. „Wir erkunden mögliche Einsatzgebiete der virtuellen Realität. Dazu zählt etwa, wie wir diese Umgebung für 3D-Echtzeitdesign nutzen können. Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten und Umgebungen, die VR-Headset-Technologien uns eröffnen werden.
COVID-19 war ein Faktor für Unternehmen wie Trello, die sich angesichts der Pandemie der VR zuwandten. In der Architekturbranche hingegen nutzen viele Unternehmen die Technologie schon seit über einem Jahrzehnt.
„Die Einführung der VR wurde durch die Pandemie natürlich beschleunigt, aber wir haben schon zuvor im kollaborativen Metaversum gearbeitet. Das war schon immer unsere Arbeitsweise“, so John Cerone, Principal bei SHoP Architects.
SHoP Architects ist ein New Yorker Architekturbüro, das in der Vergangenheit mit ein paar der innovativsten Unternehmen der Welt zusammengearbeitet hat. Zu seinen Projekten zählen etwa das Barclays Center in Brooklyn, der Uber-Hauptsitz in San Francisco und das vor Kurzem eröffnete Collins Arch in Melbourne.
SHop arbeitet zurzeit außerdem am neuen Hauptsitz von Atlassian, der bei der geplanten Fertigstellung 2025 der höchste Turm aller Zeiten in Holzhybridbauweise sein wird. Das Büro nutzt VR-Designs, um räumliche Zusammenhänge zu visualisieren und die fertigen Entwürfe seinen Kund*innen und anderen Projektbeteiligten zu präsentieren.
„Unsere Gebäude sind fest in ihrer realen Umgebung verankert und der Besuch vor Ort lässt sich durch nichts ersetzen. Doch vor dem Baustart ist das Erlebnis rein virtuell. Hier ist die VR eine tolle Möglichkeit, Menschen bei der Gestaltung einzubinden, die digitale Zusammenarbeit zu erleichtern und die Projektkoordination zu vereinfachen“, erklärt Cerone. „Bei einer solchen Investition, bei der zwischen Entwurf und Fertigstellung leicht fünf Jahre vergehen, sollten Kund*innen sich selbst von jeder Ecke eines Projekts überzeugen können.“
Für SHoP war es ein wichtiger Wendepunkt, als Meta Quest-Headsets kabellos genutzt werden konnten. Cerone spricht von einem „entscheidenden Moment“. Damit war eine der größten Einschränkungen bei der Nutzung von VR-Headsets ausgeräumt. Das Büro nutzt darüber hinaus verschiedene Technologien, um seine Entwürfe zu präsentieren. Dazu zählt ein spezieller Vorführraum, in dem auch größere Gruppen in Echtzeit zusammenarbeiten können.
„Der 360°-Raum [entwickelt von Igloo Vision im Vereinigten Königreich] ist eine Möglichkeit, die bisherigen Grenzen der VR zu überwinden“, erzählt Cerone. „Der Raum ist nicht stereoskopisch und weniger immersiv als die VR. Aber das Erlebnis ist gemeinschaftlicher. Hier können sich viele Personen auf einmal im selben Raum aufhalten und dasselbe sehen. Das ermöglicht einen guten Größeneindruck und erlaubt uns, die Kommunikation und Entscheidungsfindung zu verbessern. So erhalten wir einen zusätzlichen Blick auf das Projekt.“
Architekt*innen haben gelernt, Pläne und 3D-Modelle nachzuvollziehen, doch für Lai*innen kann es schwierig sein, sich ein Gebäude nur ausgehend von architektonischen Entwurfstools vorzustellen. Daher setzen Architekt*innen zunehmend auf Mixed Reality, um mehr als nur 2D-Pläne und bildschirmbasiertes CAD-Rendering anzubieten.
„Die VR erleichtert die Zusammenarbeit und ermöglicht eine intuitivere Bedienung“, sagt Cerone. „Vor der VR war es für Lai*innen sehr schwierig, einen Grundriss anzusehen und sich den räumlichen Eindruck des fertigen Projekts vorzustellen. Mit Headsets kann dagegen jede*r selbst die Visualisierung betreten, das Projekt erleben und sich eine Meinung bilden.“
„Das ermöglicht einen intuitiven Zugriff und eine einfache Beteiligung“, so Cerone weiter. „Wir haben schon Sicherheits- und Brandschutzinspektionen unserer Projekte in der VR abgehalten. So lässt sich etwa ganz unkompliziert aufzeigen, wo Kameras installiert werden sollten und wo es mögliche Probleme beim Zugang geben könnte. Wenn Auftraggeber*innen in der VR durch ein Projekt schreiten, erleben sie es intuitiv und können sich problemlos einbringen. Der Entwurf wird damit demokratischer.“
Die Arbeit von Frank Lloyd Wright und den Einsatz von Mixed Reality im Büro mag ein ganzes Jahrhundert trennen, doch es gibt auch eine eindeutige Verbindung. Das Ziel von Wright war es letztlich, Freiheit und Demokratie architektonisch am Arbeitsplatz zu verankern. Heute stellen sich Unternehmen wie Trello, Hawkins Brown und SHoP derselben Herausforderung, um die Büros der Zukunft zu gestalten. Wrights Vision vom Büro der Zukunft ist auch hundert Jahre später noch relevant und weist auffällige Parallelen zu den Zielen der Mixed Reality auf:
„Das Licht fiel an völlig neuer Stelle ein. Der Blick ging nach draußen. Die Wände wurden zu Bildflächen. Sie verschwanden als Wände. Die Schachtel war plötzlich offen. Und das Eckfenster ging um die Welt.“
Die Gestaltung in der VR bietet schier endlose Möglichkeiten. Du möchtest mehr darüber erfahren, wie du und dein Unternehmen Meta for Work im Bereich Kreativität und Design einsetzen könnt? Auf unserer Seite zu Arbeitslösungen findest du die neuesten Innovationen.