Nicht lange nachdem die frühesten Vorfahren des modernen Menschen dank ihrer opponierbaren Daumen das Feuer gebändigt hatten, blickten sie nicht nur sehnsüchtig, sondern auch voller Neid zu den Vögeln hinauf. Selbst ein Genie wie Leonardo da Vinci konnte das letzte fehlende Puzzleteil nicht finden, und so sollte es noch einige Anläufe dauern, bis die Brüder Wright uns endlich in die Lüfte beförderten. Ob man nun zu den Menschen gehört, die regelmäßig auf Nachtflügen unterwegs sind, oder zu denen, die vorsichtshalber immer ein zusätzliches Paar Socken im Handgepäck dabei haben (nur für den Fall der Fälle, man weiß ja nie …) – moderne Flugreisen gehören mittlerweile zur Normalität. Reisepass? Eingesteckt. Online eingecheckt? Erledigt. Sicherheitskontrolle? Du kennst das Prozedere.
Der Vancouver International Airport (YVR) beweist aber, dass Flugreisen auch eine positive, angenehme Erfahrung sein können. Ganze zwölf Jahre in Folge wurde der Flughafen als bester Flughafen Nordamerikas ausgezeichnet. Und je näher man dem neu errichteten Flugsteig D kommt, desto eindrucksvoller gestaltet sich das Erlebnis am YVR. Die Erweiterung spiegelt den preisgekrönten Sense of Place des Flughafens wider und vermittelt Besucher*innen von Vancouver mehr über das Land, auf dessen Boden sie stehen.
YVR beherbergt eine umfangreiche Sammlung indigener Kunst der Nordwestküste, die über den gesamten Flughafen verteilt ist und die facettenreiche Kulturgeschichte der ursprünglichen Bewahrer*innen des Landes würdigt.
Lynette DuJohn, Vice President of Innovation und Chief Information Officer des YVR, blickt auf das rege Treiben im Terminal und zeigt sich begeistert, dass so viele Fluggäste diese pulsierenden neuen Angebote erleben können. „Ich erinnere mich noch gut an die Zeit während der Pandemie, als diese große Informationstafel einfach nur leer war“, erklärt sie mit einem Lachen. „Es gab überhaupt keinen Betrieb am Flughafen … Andererseits habe ich meinen Freund*innen und meiner Familie immer wieder gesagt, dass dies der sicherste Ort der Welt sei, weil eben niemand da war.“
Genau diese positive Einstellung in Kombination mit einem lösungsorientierten Ansatz half Lynette dabei, die teaminterne Zusammenarbeit grundlegend zu überdenken und einen geschäftsbedrohenden weltweiten Shutdown als Chance zu nutzen, die neueste und beste Innovation für den YVR zu entwickeln.
„Wir wollten immersive Technologie nutzen, um mit jeder Art von Rückkehr zum Tagesgeschäft umgehen zu können. Wir mussten die vorhandenen Assets effektiver nutzen. Das war der Ursprung der gesamten Initiative. Ein digitaler Zwilling bot das größte unmittelbare Einsatzpotenzial, von dem unsere Organisation stark profitieren könnte. So entstand das Konzept des ‚Situational Awareness Module‘ – das Nachvollziehen, was im Terminal passiert und wann.“
YVRs 3D-Mapping und ‑Modellierung sämtlicher Flughafenanlagen unterscheidet sich von anderen digitalen Zwillingen in der Luftfahrtindustrie. Der revolutionäre Ansatz für die Erstellung des digitalen Zwillings wurde nämlich von der Gaming-Branche inspiriert.
„Ein digitaler Zwilling ist eine Art der Datenvisualisierung“, erklärt Lynette. „Damit kann man Daten auf eine völlig neue Art und Weise erleben – auf eine ganz intuitive. Eine Game-Engine hat den Vorteil, dass man Dinge problemlos bewegen kann. Wir sehen es als eine Art SimCity für Flughäfen. Wir haben diese Gaming-Mentalität von Testen, Ausprobieren und schnellem Anpassen, aber eben für eine Anwendung in der realen Welt.“
„Eine der größten Herausforderungen bei der Erstellung eines digitalen Zwillings ist, nun ja, wo fängt man überhaupt an? Es gibt so viele Anwendungsfälle für digitale Zwillinge, aber niemand wusste so recht, wovon wir sprachen – ‚Ein digitaler was?‘ Die andere Herausforderung bestand darin, dass wir keine finanziellen Mittel hatten. Die Einnahmen gingen um 90 % zurück. Ich meine, niemand wusste wirklich, ob die Menschen in der Masse jemals wieder zurückkommen würden!“
Aber da Not erfinderisch macht, griffen Lynette und ihr Team als Ausgangspunkt auf die vorhandene Infrastruktur zurück. „Man braucht erst einmal die Daten. Glücklicherweise verfügen wir am YVR über eine wirklich starke Kompetenz im Bereich der Datenanalyse, sodass die Daten in einem recht guten Zustand waren. Sie waren nicht perfekt, aber wir konnten diese Daten aufbereiten und analysieren. Wir stützten uns also auf etwas, das die Organisation schon gut beherrschte.“
Manche Datensätze waren jedoch besser geeignet als andere. „Für unsere neueste Erweiterung des Terminals, den Flugsteig D, konnten wir die Revit-Modelle [3D-Architektur-Designsoftware] der tatsächlich ausgeführten Bauarbeiten heranziehen. Wir haben die Daten eingespeist, um ein Modell des 3D-Raums zu erstellen, aber für den Rest des Terminals mussten wir eine andere Methode einsetzen.“
Hier kamen die Vorteile der Flexibilität einer Game-Engine voll zum Tragen. „Unser Facility-Management-Prozess hat von der Konvertierung verschiedener Datenebenen stark profitiert. Unsere technische Abteilung verfügte über sehr gute GIS-Daten [Geografisches Informationssystem] zum Terminal selbst, sodass wir zunächst ein 2D-Modell erstellten und auf diese Daten zurückgriffen, um für eine hohe Genauigkeit zu sorgen. Als wir zur dreidimensionalen Arbeit übergingen, flogen wir bei klarem Himmel mit LIDAR-Scannern und hochauflösender Kameratechnik über das Terminal, um es von außen zu erfassen.“
„Genau so geht man vor, wenn man einen digitalen Zwilling erstellt. Es gibt keine Universallösung. Man fragt sich immer: ‚Wie können wir mithilfe dieses einen Datenelements das Ganze zum Leben erwecken?‘ Es gibt nicht nur einen Weg, das zu erreichen.“
Die Bedienoberfläche des Situational Awareness Module vom YVR ist übersichtlich, effizient und mit Mobilgeräten kompatibel. Bei der Visualisierung des digitalen Zwillings kann zwischen einer 2D-Ansicht von oben und einer begehbaren 3D-Darstellung des Terminals gewechselt werden, wobei je nach Bedarf des*der Nutzer*in über anklickbare Symbole relevante Daten oder Zeitleisten angezeigt werden können.
„Für manche Menschen sind zwei Dimensionen völlig ausreichend, aber viele Menschen müssen die Daten in 3D erleben. Wir erstellen am liebsten in drei Dimensionen, und wenn der*die Nutzer*in es dann in 2D betrachten möchte, kann er*sie das tun“, erklärt Lynette.
Das Modul ist inzwischen aktiv im Einsatz. Nachdem es ähnlich leicht anpassbar ist wie ein Sandbox-Videospiel, kann das Entwicklungsteam zu fast jedem Asset in der virtuellen Umgebung des Zwillings Interaktivität hinzufügen.
„Das Operations-Team nutzt es ungefähr seit September 2021. Seitdem haben wir es immer wieder angepasst. Die meisten Menschen sind besser im Bearbeiten als im Erstellen, daher haben wir nicht nur darauf gewartet, dass Kolleg*innen mit Anwendungsfällen auf uns zukommen. Wir haben Machbarkeitsstudien entwickelt, um unsere Kolleg*innen auf die verschiedenen Möglichkeiten aufmerksam zu machen, und die Zusammenarbeit im Team ist seither unglaublich. Wir arbeiten weiter an Verbesserungen und jetzt sind es unsere Nutzer*innen, die den Entwicklungsprozess vorantreiben.“
Im Kern geht es bei dem gesamten Projekt darum, dem Flughafenpersonal den Zugang zu allen für sie relevanten Daten auf eine für sie geeignete Weise zu ermöglichen – unabhängig davon, wo sie sich befinden. So kann ein noch effektiveres Facility-Management gewährleistet werden.
„Unsere Duty-Officers in den Terminals wollten das Asset-Management-System nicht öffnen und Daten eingeben müssen, während sie vor Ort im Einsatz waren, also haben wir ihr System einfach mit unserem verbunden“, verrät Lynette. “Wir haben das größte Gebäude in der Provinz B.C. [British Columbia] und es ist wirklich schwierig, einen bestimmten Raum zu lokalisieren. Jetzt können sie durch das Terminal gehen und wenn sie irgendwo einen Defekt sehen, können sie einfach ein Foto machen und den Arbeitsauftrag direkt in der virtuellen Umgebung des digitalen Zwillings erstellen. Das System identifiziert den genauen Ort und überträgt diese Daten automatisch an die Asset-Management-Software. So können Menschen Daten auf eine vollkommen neue Art und Weise erleben, und das hat unsere täglichen Abläufe grundlegend verändert.“
Wie viele digitale Zwillinge braucht man, um eine Glühbirne auszuwechseln? Wartung ist natürlich eine wichtige Aufgabe, aber die meisten Reisenden wollen vor allem schnell durch die Sicherheitskontrolle kommen, um ihren Flug noch rechtzeitig zu erreichen. Inwiefern trägt der digitale Zwilling dazu bei, das Flugerlebnis von Anfang bis Ende zu verbessern? Das Situation Awareness Module ist mit einer Vielzahl von IoT-Sensoren auf dem gesamten Gelände vernetzt und sendet automatische Warnmeldungen an die Operations- und Sicherheitsteams.
„Es ist mir ein wenig peinlich, denn man sollte meinen, dass wir über all diese Dinge Bescheid wissen – was wir auch sollten, aber manchmal wissen wir es eben nicht. Das Gepäck ist eine ausgelagerte Angelegenheit.“ Also dem anderen die Schuld zuschieben und sich aus der Affäre ziehen? Keine Chance. Lynette und ihr Team haben schon Pläne, um die 32 km langen Förderbänder in den Griff zu bekommen.
„Die Gepäckabfertigung gliedert sich in zwei Teile: Da ist die eigentliche physische Infrastruktur, die aus einem sehr komplizierten Labyrinth aus Förderbändern unter dem Flughafen besteht. Und dann gibt es das übergeordnete Steuerungssystem, das im Grunde die gesamte Informationsverarbeitung übernimmt. Unsere virtuellen Umgebungen haben das Gepäcksystem noch nicht vollständig erfasst, da wir gerade unsere übergeordnete Steuerung aufrüsten, aber sobald wir mit dem Upgrade fertig sind …“ Lynettes innerer Nerd kommt mit einem breiten Grinsen zum Vorschein. „Es gibt eine Fülle von Daten, die ich unbedingt in die Finger bekommen möchte!“
„Wenn ein Flugzeug landet und das Gepäck nicht innerhalb einer bestimmten Zeitspanne vom Sortiersystem erfasst wurde, wird im digitalen Zwilling Alarm ausgelöst“, sagt Lynette. „Das hat sich für unser Facility-Management als unglaublich nützlich erwiesen. Wir sind in der Lage, solche Probleme direkt an die Gepäckabfertigungsteams vor Ort weiterzuleiten, sodass diese sich schnell darum kümmern können. Dadurch konnten wir über den Sommer die Performance der Gepäckabfertigung erheblich verbessern.“
Eine schnellere und reibungslosere Gepäckausgabe ist natürlich begrüßenswert, aber kann der digitale Zwilling auch die leidige Warteschlange an der Sicherheitskontrolle verkürzen?
Dass Lynette diese Frage schon öfter gestellt wurde, spürt man an ihrer souveränen Antwort: „Der digitale Zwilling liefert uns in Echtzeit einen Überblick über das gesamte Geschehen. Wir wissen, wie viele Menschen sich im Terminal aufhalten, ob sie gerade einchecken oder die Sicherheitskontrollen passieren. Für unser Operations-Team ist das eine große Hilfe, wenn wir genau sagen können, wo bei hohem Andrang zusätzliche Unterstützung benötigt wird.
„Wir haben das Ganze mit Vorhersagemodellen verknüpft“, fährt sie fort. „Unsere für das Fluggasterlebnis zuständigen Teams können jetzt vorausschauend handeln und anhand historischer Daten potenzielle Engpässe erkennen. Wir können die Auslastung von Flügen Tage im Voraus prognostizieren.“
„Wir arbeiten zurzeit an Vorhersagemodellen für Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf. Genau in solchen Fällen kommt die Stärke des digitalen Zwillings nämlich so richtig zum Tragen. Bei einem heftigen Schneesturm oder Gewitter können unsere Teams sofort sehen, was gerade passiert. Die Vorhersagemodellierung funktioniert im regulären Betriebsablauf aktuell zwar noch viel besser, aber wir machen Fortschritte.“
Es ist eine Zwickmühle, die so manche*n zum Schwitzen bringen würde. Um das Vorgehen bei „unregelmäßigen Betriebsabläufen“ prognostizieren zu können, müssen Daten von tatsächlichen „unregelmäßigen“ Ereignissen erfasst werden, aber wie Lynette lachend erklärt: „Wir wollen keine unregelmäßigen Betriebsabläufe!“ An dieser Stelle kommen die Simulationen ins Spiel.
„Wir arbeiten an Simulationen, bei denen wir Assets außer Betrieb nehmen. Was passiert, wenn ein Rollfeld nicht verfügbar ist? Was passiert, wenn ein Gate nicht verfügbar ist? Oder zwei? Wir entwickeln gerade entsprechende Modelle, um Minimal Viable Product-Simulationen durchzuführen. Wir lernen immer mehr darüber, wie wir maschinelles Lernen und KI auf die Modelle anwenden können. Das passt eigentlich ganz gut zusammen“, strahlt Lynette.
Es ist kein Geheimnis, dass all die Flieger dort oben am Himmel einen ziemlich großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Die Vorhersagefähigkeiten des digitalen Zwillings werden daher auch genutzt, um das ehrgeizige Ziel vom YVR zu erreichen, bis 2030 organisationsweit Netto-Null zu erreichen.
„Die Energiewende schreitet weltweit voran“, sagt Lynette. „Wir schauen uns an, wie sich diese Transformation am Flughafen realisieren lässt. Basierend darauf, wie sich der Verkehrsfluss gestaltet, versuchen wir anhand von Modellen zu ermitteln, wo wir die Ladeinfrastruktur auf dem Flugfeld platzieren sollten. Unser Umweltteam ist auch sehr daran interessiert, alle Fahrzeugbewegungen auf Sea Island, wo sich unser Flughafen befindet, zu untersuchen. In Zusammenarbeit mit der Provinz British Columbia haben wir Kameratechnik installiert, um die Verkehrsströme auf den Brücken zu erfassen. Ziel ist es, mithilfe des digitalen Zwillings zu verstehen, wie die Energie in der gesamten Anlage genutzt wird. Energieverbrauch und ‑management sind im Moment ein sehr wichtiger Forschungsbereich für Flughäfen.“
Für einen effizienten Passagier*innenfluss durch das Terminal zu sorgen, ist zwar ein wichtiger Aspekt, aber am YVR versucht man auch, das Erlebnis zwischen den Warteschlangen so angenehm wie möglich zu gestalten. Lynette und ihr Team gehen daher noch einen Schritt weiter und nutzen die Flexibilität der Plattformumgebung, um nicht nur das Facility-Management, sondern auch die für die Besucher*innen zentralen Merkmale des Terminals genau abzubilden.
So wurden beispielsweise die baulichen Besonderheiten des Flughafens, wie der Wald, bereits digital nachgebildet. Zurzeit entstehen auch digitale Zwillinge von Kulturschätzen wie den Musqueam-Willkommensfiguren von Susan Point und einem Kanu, das anlässlich der Partnerschaft des Flughafens mit dem Musqueam-Stamm angefertigt wurde.
„Wir haben dieses wunderschöne Kanu geschnitzt und jetzt gibt es davon auch einen digitalen Zwilling. Man kann sogar die Holzmaserung erkennen. Es ist einfach ein wunderschöner digitaler Zwilling dieser bemerkenswerten Schnitzarbeit, an der wir mit unseren Musqueam-Freund*innen gearbeitet haben.“
„Wir versuchen immer erst zu verstehen, bevor wir etwas erschaffen. Was wäre für die jeweiligen Künstler*innen hilfreich? Welche Künstler*innen haben kein Problem damit, dass wir ihre Werke digitalisieren, und wie können wir diese digitale Plattform zu ihrem Vorteil einsetzen? Das besprechen wir gerade mit unseren Musqueam-Freund*innen.“
Das Sustainability Friendship Agreement zwischen dem YVR und dem Musqueam-Stamm bildet einen festen Bestandteil innerhalb der Kultur und des Managements der Organisation. Der digitale Zwilling bietet jedoch Möglichkeiten, die weit über die Wertschätzung des kulturellen Erbes hinausgehen. Dieser innovative Ansatz erleichtert die Zusammenarbeit des Teams in neuen Bereichen, wie z. B. bei Initiativen zur Jugendförderung und der Schaffung von Arbeitsplätzen.
„Manche unserer Musqueam-Freund*innen haben an einem Programm teilgenommen, um die Unity-Plattform [Game-Engine] kennenzulernen. Außerdem arbeiten wir mit dem First Nations Tech Council zusammen, um ein Programm zu entwickeln, das Lernenden die Technologie näherbringt, die wir am YVR nutzen. Das ist ein ziemlich spannender Technologiebereich, und jetzt können sie ihn selbst kennenlernen, sie können hereinkommen und ihn auf eine andere Art und Weise erkunden. Für uns ist das großartig, weil wir so unglaublich talentierte junge Leute für eine Zusammenarbeit mit uns begeistern können.“
Was ästhetisch ansprechend ist, muss nicht zwangsläufig unpraktisch sein. Zu Lynettes längerfristigen Zielen gehört es, dass Passagier*innen selbst in die virtuelle Umgebung des digitalen Zwillings eintauchen können. Ob Warteschlangensimulatoren wohl der nächste große Hit in der Gaming-Branche werden? Lynette lacht.
„Nein! Es gibt eine Reihe von sehr, sehr hilfreichen Anwendungsfällen, die möglich wären, wenn Fluggäste direkt auf eine Version des digitalen Zwillings zugreifen könnten. Vielleicht benötigt ein Fluggast einen Rollstuhl. Der Zwilling könnte die Person schon vorab darüber informieren, welche Wege sie im Terminal nehmen muss, um zu diesem Hilfsmittel zu gelangen. Wenn eine Familie ein autistisches Kind hat, könnte das Kind die Flughafenumgebung schon vor der Ankunft erkunden. Wir haben auch mit VR-Apps experimentiert. Das behalten wir im Auge. Das könnte gerade im Bereich Wartung und Schulung ganz interessant sein.“
YVR ist dafür bekannt, technische Innovationen aufzugreifen und in der Praxis anzuwenden. Das Situation Awareness Module wurde nicht nur zur Optimierung der internen Infrastruktur entwickelt, sondern auch als kommerzielles Angebot, das auf dem „Innovation Hub“ des Flughafens verfügbar ist. Hier zeigt sich ihr Engagement für digitale Erlebnisse sowohl innerhalb ihrer Betriebsabläufe als auch auf kommerzieller Ebene.
„In erster Linie dient der digitale Zwilling dazu, unseren Fluggästen zu helfen. Wir müssen bei allem, was wir mit dem Zwilling anstellen, das primäre Ziel im Auge behalten, nämlich unsere Fluggäste so effektiv wie möglich durch unsere Infrastruktur zu leiten“, sagt Lynette. „Die Vermarktung ist zweitrangig, aber wir wissen: wenn das Konzept aufgeht, werden andere Unternehmen daran interessiert sein, ihre eigenen virtuellen Umgebungen zu erstellen.“
Warum sollte Lynette ausgerechnet in einer Branche, deren Zahlen erst jetzt wieder „fast so hoch sind wie vor der Pandemie“, darauf brennen, ihren Zwilling im Einsatz bei der Konkurrenz zu sehen?
„Ich wäre begeistert, wenn das gesamte kanadische Ökosystem eine Partnerschaft eingehen würde“, schwärmt sie. „Wir sind alle Teil eines Netzwerks. Wenn alle im gesamten Netzwerk über das gleiche Maß an situativem Bewusstsein verfügen würden, hätten unsere Fluggesellschaften einen umfassenden Überblick über die Lage vor Ort und könnten anders entscheiden. Das könnte für unsere Branche wirklich bahnbrechend sein.“
„Wir haben bei Produkten schon immer eine etwas andere Herangehensweise gehabt“, sagt Lynette. „Wir haben unsere BorderXpress-Automaten gegen 2010 für die Olympischen Spiele hier in Vancouver entwickelt und sie dann in ganz Kanada eingeführt. Später sind sie auch in die USA und nach Europa übergeschwappt. Unser gesamter Ansatz bestand schon immer darin, dafür zu sorgen, dass das, was wir entwickeln, von unseren eigenen Leuten angenommen wird. Darum geht es. Man kann noch so viel entwickeln, aber wenn es niemand nutzt, wen interessiert es dann schon?“
Zwar hat der Ansturm auf YVRs Self-Service-Grenzkontrolllösung BorderXpress etwas nachgelassen, aber die Gelegenheit war wieder einmal da.
„Die Technologie entwickelt sich weiter und verändert sich, aber während der Pandemie war niemand bereit zu investieren, sodass das Geschäft einbrach. Wir haben dieses unglaubliche Team voller Unternehmensgeist, das es gewöhnt ist, seiner Kundschaft einen Mehrwert zu bieten. Wir konnten auf ihre beeindruckenden Fähigkeiten zurückgreifen und ihr Know-how für diese neuere Technologie der digitalen Zwillinge nutzen. Bei BorderXpress wussten wir: wenn wir etwas entwickeln, das für uns funktioniert, würde es höchstwahrscheinlich auch für andere Flughäfen funktionieren, da wir die Technologie täglich nutzen. Und genau diesen Ansatz verfolgen wir auch bei der Entwicklung des digitalen Zwillings.“
Es ist dem Ideenreichtum und dem Gespür des YVR-Teams für Chancen zu verdanken, dass ihr digitaler Zwilling die Projektphase verlassen hat. Er ist vollständig in die Abläufe der Organisation integriert. Oder wie es Lynette ausdrückt: „Er ist die digitale Linse, durch die wir den Flughafen betrachten. Er tangiert alles, was wir tun. Er prägt die Art und Weise, wie wir arbeiten.“
Im digital vernetzten Flughafenbetrieb eröffnen sich neue Horizonte mit grenzenlosen Möglichkeiten. Ob für Mitarbeitende oder Kundschaft gedacht – intuitive, erlebbare Visualisierungslösungen sind inzwischen zu unverzichtbaren Tools für das Facility-Management geworden. Mit ihnen können Betriebsabläufe in der gesamten Luftfahrtindustrie und darüber hinaus optimiert werden. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit im Team gefördert, indem Mitarbeitende bedarfsgerecht auf Daten zugreifen können.